Es bereitet mir Freude all die Genies zu entdecken die das leselieber in jedweder Ecke für mein literaturbedürftiges Herz bereit hält. Die Spannung oder vielmehr der Dialog zwischen den Werken ergibt sich aus ihrer Anordnung zueinander. Meine Blickrichtung wendet sich Ingeborg Bachmann zu. Es findet sich
der schwarzfarbene Einband von „Malina“ neben einer geglückten Bachmann-Biographie. Mit Stolz kann ich behaupten meine eigene Malina-Ausgabe im leselieber erworben zu haben. Ungelesen wartet zuhause noch die Erzählung „Das Honditschkreuz“ auf mich. Und sicherlich werde ich mir eines Tages beim Buchhändler ihr legendäres Gedichtband „Die gestundete Zeit“ bestellen. Bachmann nahm sich selbst wohl als unverstandene Autorin wahr. Aus Erfahrung kann ich berichten dass ich mich an manchen Stellen in Malina dazu überwinden musste weiter zu lesen. Natürlich nicht aufgrund von inhaltlichen oder stilistischen Schwächen sondern vielmehr aus dem Schmerz den mir der Text und seine erwählten Bilder zusetzten. Bachmanns Kindheit und Jugend spielte sich während der Nazizeit in der österreichischen Provinz ab. Ihren Vater beschrieb sie als engagiertes NSDAP-Mitglied. Offensichtlich verdichtet sie eben diesen in der vergewaltigenden Vaterfigur der sich in Malina kaskadisch durch die Tagmahre der Ich-Erzählerin drängt. Für mich ein wichtiges Buch aus weiblicher Perspektive um familiären Strukturen innerhalb der Nazizeit näher zu kommen.
Mein Blick sowie mein Körper wandern weiter durch den Buchladen. Ich treffe auf sämtliche Werke der unglückseligen
Bronte-Schwestern. Deren Einbände aus erdfarbenem Leinen mit mauvefarbenen Ornamenten entzücken mich. Tiefempfundene Literatur die aus der Adoleszenz und aus der Einsamkeit geschaffen ist. Einst durch junge Frauenhände auf bloße nackte Blätter niedergeschrieben, verfasst zum Trotze der Ungleichstellung die die Autorinnen damals erfuhren. Zum ersten Mal veröffentlicht unter männlichem Pseudonym um des Veröffentlichens willen.
Fünf Schritte und drei Atemzüge später treffe ich auf einen Autor dessen Name mir unbekannt ist. Spannend. Der Titel des Buches zieht mich in seiner Schlichtheit an. „Sommer am See“ von Alberto Vigevani. Auf Seite 47 heißt es da „ … blendenden Sonnnenflecken aus dem Asphalt folgten schattige Zonen …“
Ich drehe mich um 180 Grad. Grün und Bäume blicken mir
entgegen. Ein gegenwärtig stark diskutierter Titel „Das geheime Leben der Bäume“ interessiert mich. Im Untertitel heißt es „Was sie fühlen, wie sie denken“. Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Wurzelgeflecht der Bäume tief unter der Erde. Wie sie sich unentdeckt von den oberflächlichen Menschen vereinigen, ein Beziehungsnetz im Untergrund bilden. Blätterwerk, Geäst, Gehölz, Dickicht, Pfade und Erde träumt mir. Ja, dieses Buch möchte ich lesen.