Aus Jeff Bezos‘ Garage

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Im Deutschlandfunk hörte ich heute früh, dass in Deutschland die Ansteckungsrate mit dem Coronavirus weiter gesunken sei: Laut Statistik des Robert Koch-Instituts steckt jeder Infizierte nunmehr weniger als einen weiteren Menschen an, nämlich nur etwa 0,7 Menschen. Ob eher der Kopf oder der Rumpf der Ansteckung entgehen kann, wurde nicht dazu gesagt. Über so etwas kann ich lachen.

Der Deutschlandfunk berichtete auch, dass in den letzten Wochen die deutschen Privathaushalte 20 % mehr Müll produziert haben als in einem Vergleichszeitraum davor. Aus meiner eigenen Anschauung kann ich dazu sagen: Das Fahrzeug des Deutschen Paketdienstes, eines vertrauenswürdigen und zuverlässigen Unternehmens, erreicht neuerdings erst nach 14 Uhr die Buchhandlung. Vor der sogenannten Krise war das um 12 Uhr der Fall. Niko, der Paketfahrer, ein immer gut aussehender und angenehm riechender Mann (meine Mitarbeiterin kann es bezeugen), Niko also sagt, er habe so viele Pakete an Privathaushalte auszuliefern wie nie zuvor. Von einer Konsumkrise kann also nicht die Rede sein, die Verpackungsmüllberge zeigen es.

Neulich abends hielt ein Privatfahrzeug aus dem Landkreis OPR vor der Buchhandlung an. Es gab offenbar keine Grenzkontrollen zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin. Der Fahrer stieg mit 3 Paketen aus und hatte große Schwierigkeiten, diese an 3 Friedrichshagener Adressen zu verteilen, da er sich hier nicht besonders gut auskannte. Es war leicht zu erkennen, dass er diese Pakete aus Jeff Bezos‘ Garage abgeholt hatte.

Man weiß ja, dass Jeff Bezos Privatleute angeheuert hat, die sich etwas dazuverdienen wollen, um das Zeug aus seiner Garage unter die Leute zu bringen. Interessant wäre es nun zu erfahren, wieso in einer Situation, in der die private Bewegungsfreiheit so weit eingeschränkt ist, dass ein Berliner sein eigenes Grundstück außerhalb der Stadt nicht betreten darf, derlei Privatverkehr im Auftrag von Jeff Bezos stattfinden kann.

Meine These: Offensichtlich ist Jeff Bezos‘ Unternehmen dem technokratischen Regime nicht unterworfen, dessen Regeln wir zu befolgen haben, sondern es gehört diesem technokratischen Regime an.

Verbraucht sind die Vorratsgefühle

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Ich nehme den frischen Gedichtband von Alexandru Bulucz (was Petersilie über die Seele weiß) in die Hand und entferne den Schutzumschlag und berühre einen wunderbar blauen Leinenband. Als ich den Umschlag wieder dem Buch anlegen möchte, fällt mir auf, dass seine Innenseite bedruckt ist, aber nicht mit Reklame – oder vielleicht ist es doch Reklame: da steht in ebenfalls blauer Schrift ein SACHREGISTER und ein NAMENREGISTER, letzterem entnehme ich, dass Rainer Maria Rilke zitiert wird, und nun blättere ich den Band durch und finde, dass das Motto eines Gedichtes (es steht, da muss ich an Amy Winehouse denken, auf Seite 27) von dem verehrten Dichter aus Prag stammt, und es bestürzt mich sein Satz:

nirgends mehr ist das Maaß des einzelnen Herzens anzulegen, das doch sonst die Einheit war der Erde und des Himmels und aller Weiten und Abgründe.

Das Echo darauf in Bulucz‘ Gedicht lautet: Inmitten von Eden stand keinem der Sinn, nach dem Vorrat an Wonne zu fragen.

Und das bittere Ende: Verbraucht sind die Vorratsgefühle, das Brombeergelee in den Gläsern von Mutter! Verrat an der Süße!

Es ist die Passionszeit, in der mich diese Zeilen treffen, bemerke ich.

Nicht nur Nachbarschaftshilfe

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Thalia ist die Muse des Entertainments. Folglich trägt eine Kette von Läden, die neben Filmen, Spielwaren, Haushaltsartikeln und Schreibwaren auch Bücher anbieten, diesen Namen als Markenzeichen. Meine Nachbarin Frau C. ist nicht besonders glücklich, wenn sie eine Thalia-Geschenkkarte zum Geburtstag bekommt, denn die wirklich lesenswerten Bücher findet sie dort nie.

Die wichtigen und richtigen Bücher sind hier! Daher mache ich allen Kunden, wie ich es mit meiner Nachbarin bereits eingeübt habe, das Angebot: Der Wert der Thalia-Geschenkkarte kann mit Ihrem Einkauf in meiner Buchhandlung verrechnet werden!

Die Einlösung dieser Geschenkkarte ist bei mir allerdings nur möglich, wenn der gewünschte Artikel vorrätig ist. Der leselieber-Gutschein, den Sie hier erwerben können, gilt hingegen für alle lieferbaren Bücher, Hörbücher und Kalender, Versandkosten fallen für Sie nicht an!

Und die Zeit stand still

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Das ist traurig: Die letzten Kulturstätten, die noch geöffnet haben, sind die Friedhöfe. Keine Stadt weit und breit sei so reich gesegnet mit Friedhöfen wie Berlin, heißt es in Brauchitschs Friedhofsführer.

Am Sonntag ging ich vom Bahnhof Friedrichstraße zum Dorotheenstädtischen Friedhof. Ich war alleine.

Ich ging also auf diesem Friedhof der Künstler, Theaterleute und Literaten spazieren und stieß auf ein frisches Grab, ein Grab ohne Stein zwar – eine Stele aus Holz nur: Christoph Meckel *12.6.1935 +29.1.2020

In der Buchhandlung liegt das letzte Werk des Dichters (Kein Anfang und kein Ende. Zwei Poeme). Ich schlage es auf und die Poesie ergreift mich:
Die Steine lagen still
und die Zeit stand still
in den Steinen.

Was bleibt, steht in den Büchern.

Jetze jede Postkarte nur eenszwanzich

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Seit Montag hängt beim benachbarten Friseur an der Tür ein Zettel, der darauf hinweist, dass der Laden AUF ANORDNUNG DER BUNDESREGIERUNG geschlossen worden sei. Wer schneidet Frau Merkel nun die Haare?

Wir leben in einer Hochzeit der Zettelwirtschaft! NOTES OF BERLIN ist seit mehreren Jahren eine Hommage an all die Notizen, die Berlin tagtäglich im Stadtbild hinterlässt. Jeder kann mitmachen und seine eigenen Fundstücke einreichen; jedes Jahr entsteht daraus ein Abreißkalender, eine Auslese finden Sie jetzt auch in einem Buch bei mir.

Heute nun kam der Verleger Oliver Seltmann mit Neuigkeiten an: Die NOTES gibt es jetzt auch als Postkarten! Die 58 Motive zeigen lustige, unterhaltsame, kreative und auch verrückte Notizen aus dem Berliner Straßenalltag. Die echten Fundstücke erzählen von Liebe, Diebstahl, Nachbarschaftsstreitigkeiten und allerlei Kuriositäten. Eine Hommage an das echte Berlin – zum Verschicken, Verschenken oder selbst Behalten.

Die Welt im Einmachglas

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Alles Hausgemacht! heißt das Motto des kürzlich im GU-Verlag erschienenen Bandes Die Welt im Einmachglas, der 90 Rezepte von nah und fern enthält. Immer einfach, mit einer Prise Fernweh gewürzt und mit dem guten Gefühl serviert: Das ist selbstgemacht! 

Wenn Sie also mit diesem Band eine kulinarische Weltreise antreten möchten, nehme ich dafür gerne den Reiseführer in Zahlung, den Sie neulich gekauft haben. Das Angebot gilt also nur für aktuelle Auflagen von Reiseführern und auch nicht im Versand-, sondern ausschließlich im Ladengeschäft (solange der Vorrat reicht).

Die aktuelle Öffnungsdauer finden Sie hier.

Ein Postkartenzitat

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Von Thomas Bernhard habe ich mir sagen lassen:

Um Katastrophen braucht man sich eigentlich eh nicht zu sorgen, die kommen schon. Aber vielleicht muss man sie heraufbeschwören, zeitweise, weil von selbst dauert’s zu lang.

Es gibt einen kleinen Verlag in Frankfurt am Main, der eine schöne Edition literarischer Zitat-Postkarten herausbringt (Herr T., ein alter Stammkunde und ehemaliger Lektor im Aufbau-Verlag, hatte mich darauf aufmerksam gemacht). Ich habe vor, von diesem Verlag eine Postkarten-Serie herstellen zu lassen, und freue mich, wenn Sie mir literarische Zitate dafür senden möchten, die uns in guten wie in schlechten Zeiten begleiten können.

Gerne gekauft wird bei mir zur Zeit die Karte mit dem folgenden Spruch:

Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es auch noch nicht das Ende.

Gerade habe ich die letzten Exemplare davon verkauft.

Loriot lieferbar

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Heute früh kam mir Erwin Lindemann in den Sinn, dessen Lottogewinn es seiner Tochter ermöglicht hat, gemeinsam mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal zu eröffnen. Und nun ist der riesige Petersplatz geschlossen und noch die kleinste Boutique muss verrammelt sein.

Der Buchladen macht auch heute auf. Ich habe noch große Posten an Loriotbüchern hier!

Für jeden Anlass gibt es auch noch eine Loriotpostkarte. Dass unsere Bundeskanzlerin einmal in einer Fernsehansprache mitteilen würde, dass die Postzustellung in Deutschland weiterhin gewährleistet sei, wäre wohl selbst Loriot nicht eingefallen.

Auch der Lottoladen in unserer Hauptstraße hat geöffnet; dort gibt es die passende Briefmarke. 


 

Reisewarnung aufgehoben!

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Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die ganze Welt.

 „Letzten Endes reist man am besten, indem man fühlt“, heißt es bei Fernando Pessoa, dem portugiesischen Dichter, der der Schutzpatron dieser Buchhandlung ist.

Ich darf das Geschäft heute für Sie öffnen und kann bis gegen 16.30 Uhr für Sie hier sein. Lassen Sie mich den Spruch Pessoas abwandeln: Man reist am besten, indem man liest!

Wir sind ein reiches Land, wir haben Bücher!

Am Lesen bleiben

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Ich lese, um meine Gegenwart zu erkennen. Nun habe ich nach langer Zeit einmal wieder Thomas Manns „Zauberberg“ aus dem Regal gezogen; mein Lesezeichen steckt mittendrin an einer Stelle, an der Hans Castorp räsoniert, dass Sterbende ohne weiteres und in Permanenz wie Geburtstagskinder zu behandeln seien“.

Ja: in diesen Tagen beginnt trotz alledem der Frühling und jeder Tag verspricht ein sonniger Tag zu werden. Die Blumen blühen auf und die Vögel bauen große Nester! Und jeder Tag  erschafft ein neues Bild, und jeden Tag erklingt ein Konzert.