Leider kämpft das Buch gegenwärtig um seine Existenzberechtigung. Der Alltag eines Mitteleuropäers wird von Zerstreuungen getragen die nicht so viel von ihm einfordern wie das Buch. Um im Netz zu surfen bedarf es keiner Muße. Die Geistesaktivität beim Fernsehen geht gen null. Oder gerade so niedrig um die Suggestionen der Reklame aufzunehmen. Beziehungen haben eine Mindesthaltbarkeitszeit wie Brot.
Ich kenne da so einen Mann der hilft den Büchern zu überleben. Er ist ein Wortliebhaber, ein Buchhändler, er handelt mit Worten. Sein Buchladen leselieber ist unweit meiner Wohn- und Atemstätte. Auch bietet allein sein worttrunkener Anblick mir stets einen Trost. Manchmal unter der Woche verweist er ironisch auf sich selbst wenn er ein T-Shirt mit der Aufschrift Hilfsbuchhalter trägt. Sichtlich freut er sich einen ganzen Tag lang über das Wortspiel seiner Klamotte. Wie eine zweite Haut liegt das Shirt auf seinem Körper auf, es imitiert die Konturen seines hochgewachsenen Trägers. Ich erfreue mich an den Riten des Buchhändlers. Ich kenne nun schon alle seine Hemden und T-Shirts auswendig und versuche ein Gemütsmuster darin zu erkennen. Suche nach einem Anhaltspunkt um dem Charakter des Buchhändlers auf den Grund zu gelangen. Was für eine Person mag wohl hinter der Bücherliebe und dem schwarzen Bart stecken …?
Ist er ein Katzen- oder ein Hundetyp, hält er unliebsamen Diskussionen stand, fragt er sich immer noch nach dem Sinn des Lebens, sind seine Eltern noch verheiratet, hat auch er eine Meinung zur Eisschmelze, bevorzugt er amerikanische oder französische Filme, mag er Kinder, weint er im Kino, wurde er in der Grundschule gehänselt oder vergöttert, liebten ihn seine Eltern, würde er jemals das Land verlassen wollen, wurde ihm schon einmal das Herz gebrochen, beabsichtigt er zu heiraten, wäscht er seine Klamotten links oder rechts herum, ist er ein Kaffee-, Tee- oder Gott bewahre ein Softdrinktrinker, hat er jemals ein Trauma erlitten, und wenn ja hat er es aufgearbeitet, hat er vor einer Frau schon einmal geweint, was steht in seinem Testament, feiert er seinen Geburtstag, reist er lieber allein oder in Gruppen, mag er Frauen die laut lachen oder leise schmunzeln, ist er antiseptisch oder körperflüssigkeitsfreundlich, hört er Cover oder Originale, ist er ehrlich gegenüber seinen Freunden, welche Jahreszeit ist ihm die liebste, war er jemals Punk, Hippie oder Goth, antwortet er wahrheitsgetreu auf die Frage „Wie geht’s dir?“.