Als ich vor ein paar Jahren im Herbst hochschwanger mit meinem Mann nach Friedrichshagen zog machten er und ich uns allerlei Gedanken über den Buchhändler.
Einmal im Januar gingen wir beide durch eine kristallklare Nacht in Friedrichshagen spazieren. Die Kälte stand fassbar in der Atmosphäre, glücklicherweise wurde sie von keinem Wind auf unsere schutzsuchende Haut getragen. Warm eingepackt freuten wir uns geräuschlos unserer Existenz. Mit jedem getanen Schritt klärte die Kälte unsere Gedanken. Unsere Liebe fühlte sich zum Trotze beziehungsüblicher Streitereien und dem atemraubenden Ereignis Geburt das uns bevorstand dennoch zart an, manchmal wie auch in dieser Nacht waren wir wie unbeschriftetes Papier. Wir wogen gemeinsam nicht schwer. Unser Weg führte uns auch am leselieber vorbei. Wir blieben stehen. Hinter Glas in der Auslage warteten geduldig Bücher die gelesen werden wollten. Kleine Einbände mit Formen und Fiktionen und Farben die komplexe Universen beherbergten. Wortstätten des Wissens. Aber auch die gesamte Summe der zu Ende geschriebenen Gedanken eines Schriftstellers. Mein Blick wanderte hoch zu den zwei Fenstern über dem Buchladen. Zwei kleine warme Lichter, eins in jedem Fenster strömte zu uns in die Nacht auf die kristallklar kalte Bölschestraße.
Ich dachte laut: „Ich stelle mir den Buchhändler vor wie er da oben in seinem Sessel sitzt … mit einem aufgeklappten Buch in den Händen … es ist ein alter Sessel mit Ohren, schon lange in Familienbesitz … schon als kleiner Junge saß er darin und schon damals war der Sessel alt gewesen, nur war sein Körperchen damals zu klein um den Sessel auszufüllen . . . so muss es sich im Walfischbauch anfühlen denkt der blasse Junge wie er da sitzt und Melville liest … damals wie heute schaut der Buchhändler auf von den Buchstaben und den Seiten, sinniert sichtlich, schmunzelt unvermittelt, denn ein neuer Gedanke blitzt in seinem Geist auf … er legt das Buch beiseite, steht auf und greift zu einem anderen Buch aus der Bibliothek hinter ihm … er schlägt es aufs gerate Wohl auf, liest konzentriert etwas nach mehrere Schritte im Zimmer auf und ab laufend … und setzt sich wieder, gerahmt von seiner Bibliothek … in meiner Vorstellung trinkt er Tee, es wartet auf ihn ein Kännchen heiß duftender Kräutertee …“ Der Mann den ich liebte, der der Vater des Kindes in meinem Bauch war lächelte. Er lächelte oft über meine laut ausgesprochenen Vorstellungen. „Meinst du wirklich dass er da wohnt …?“ „In meiner Vorstellung schon.“ antwortete ich. Mich wieder der Nacht und unserem Nachhauseweg zuwendend fügte ich hinzu „Aber in der Wirklichkeit wahrscheinlich nicht …“ Vielleicht werden der Buchhändler und sein Laden, die Menschen die dort ein und aus gehen und die Bücher die geduldig warten zu einem Sehnsuchtsort für mich. Hier wiederum an diesem Ort, an dem Sie und ich uns treffen, in dieser Erzählung in Serie auf digitalem Papier, in diesem sogenannten Blog möchte ich all die Dinge die die Realität verbirgt bergen. Denn die Dichtung kommt der Wahrheit bekanntlich oftmals näher.