Heute wäre Marcel Reich-Ranicki 100 Jahre alt geworden, und aus diesem Anlass brachte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vorgestern ein paar bislang unveröffentlichte Briefe an Schriftsteller, die das Temperament des Chefkritikers der deutschsprachigen Literatur zu spüren bekommen haben. Thomas Anz, der Reich-Ranickis Nachlass verwaltet, lässt anklingen, dass die noch ausstehenden Editionen seiner Briefwechsel etwa mit Günter Grass und Martin Walser mehrere Bände füllen könnten.
Auch ich besitze einen Brief von Marcel Reich-Ranicki! Mein gesamter Briefwechsel mit ihm umfasst allerdings nur wenige Zeilen, welche die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vor mehr als sieben Jahren abgedruckt hat: Sie können auf diesen Seiten meinen Beitrag dazu lesen!
„Auf Goethe sollten Sie natürlich nicht verzichten“, riet mir Reich-Ranicki also, und so habe ich immer den West-östlichen Divan im Laden stehen, aus dem ich gerne (ausnahmsweise ohne Mundschutz) rezitiere:
Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: / Die Luft einziehn, sich ihrer entladen; / Jenes bedrängt, dieses erfrischt; / So wunderbar ist das Leben gemischt.