Was ich lese? Hauptsächlich Naturwissenschaftliches: Gestern las ich gerade über die Ursachen des Schwindens der Singvögel in Deutschland. (Das war vor mehr als 100 Jahren schon ein Thema.) Es ist die zunehmende rationelle Forstkultur, Gartenkultur und Ackerbau, die ihnen alle natürlichen Nist- und Nahrungsbedingungen: hohle Bäume, Ödland, Gestrüpp, welkes Laub auf dem Gartenboden — Schritt für Schritt vernichten.
Die Autorin dieser Zeilen ist berühmt als Kämpferin für die sozialen Rechte der unterdrückten Menschen. Weniger bekannt ist, wie sehr sie alles Lebendige, in dem wir geborgen sind, bekümmert hat.
Nicht um den Gesang für den Menschen ist es mir, sondern das Bild des stillen, unaufhaltsamen Untergangs dieser wehrlosen kleinen Geschöpfe schmerzt mich so, dass ich weinen muss.
Ich lese Rosa Luxemburg, die heute vor 150 Jahren geboren wurde. Als Naturkundlerin begegnet sie uns in ihrem Herbarium. Sie hat Pflanzen gesammelt, wo sie ging und stand, in der Freiheit wie im Gefängnis, und damit insgesamt 16 Schulhefte gefüllt, deren Inhalt vom Karl-Dietz-Verlag kürzlich komplett veröffentlicht worden ist.
Aus dem Gefängnis schrieb sie einmal an Luise Kautsky:
Ich besuche jeden Tag ein rotes Marienkäferlein mit zwei schwarzen Punkten auf dem Rücken, und — fühle mich im ganzen nicht wichtiger als dieses Marienkäferlein und in diesem Gefühl meiner Winzigkeit unaussprechlich glücklich.