Ungelesen ruhen die Geschichten in den Büchern. Wem ein gut geschultes Gehör beschieden ist dem flüstern die Autoren Textbausteine in die Ohren. Das Stimmchen wird lauter je näher man an das Buchwerk heran tritt. Derweil hat der Büchermann
seine Körperfunktionen auf Autopilot runter gefahren. Langsamer als sonst läuft er herum und sortiert neues Buchwerk in die Leerstellen im Raum die er finden kann. Vielleicht wird er mir auch gleich sagen dass das Wetter ihm zusetzt. Mein Blick fällt auf „Das Meer“ von Guy de Maupassant. Einzelne Ausgaben liegen aufgefächert auf einem Büchertisch. Ich muss augenblicklich an Wellen denken und imaginiere mir das beruhigende Nass ihrer Arme. Es mag den Einen oder die Andere gar schon überwältigt haben als Er oder Sie das erste Mal in das leselieber eintrat. Den Einen aus Freude über die Vielfalt, die Andere aus Schock über die Vielfalt. Kein einziger klitzekleiner Fleck an diesem Ort der nicht Bücher beherbergt. Bücher in Regalen, Bücher auf Tischen, Bücher auf Stühlen, Bücher in Nischen, Bücher in und auf Kommoden, Bücher in drehbaren Aufstellern, Bücher auf Bodenhöhe, Bücher auf Augenhöhe, Bücher auf Bauchhöhe, Bücher auf Greifhöhe, Bücher horizontal, Bücher vertikal, Bücher schräg, Bücher auf Treppchen, Bücher aufgefächert, Bücher getürmt, Bücher quer und kreuz, Bücher sogar zwischen den Wänden meint man. Ein ordnungs-bedürftiges Herz wird da vielleicht sogar ein paar Takte aussetzen wollen. Aber nur solange es starre Linien und Grenzen überwunden hat.
Und dann passiert es. Er oder Sie geht mehrere Schritte in den Laden hinein und vertieft sich augenblicklich in einen einzelnen Titel, greift nach dem Einband, es kommt zum Erstkontakt. Manchmal fühlt es sich rau an, manchmal formschön wie es der Titel des Werkes verspricht. Manchmal liegt der Buchrücken zart in der Hand und manchmal aber auch mit einer gewissen Härte konturiert. Schließlich liest Er oder Sie Sätze quer, die innere Stimme klingt an. Diesmal aber erinnert die innere Stimme Sie oder Ihn nicht an all die Dinge die heute unbedingt erledigt werden müssen, sie klingt weder streng noch gehetzt. Stumm und leise nur für einen selbst reiht sie Wort an Wort, birgt allmählich die Sätze aus dem erzählerischen Werk. Auch erkennt die innere Stimme die den Sätzen immanenten Rhythmus und gerät allmählich in Melodie.