Heute vor 75 Jahren tritt Hans Henny Jahnn in einem unversehrten Saal des Hamburger Rathauses auf und hält eine Ansprache, welche mir, seit ich sie vor einigen Jahren in der Zeitschrift SINN UND FORM gelesen habe, nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Schriftsteller, Pazifist und Orgelbauer ist 1946 aus dem Bornholmer Exil in seine Geburtsstadt zurückgekehrt.
Gibt es eine andere bedeutende Rede, die die Opfer der Jahre 1914 bis 1945 bedauert, die das Leid der Tiere einschließt? Jahnn hält es für seine Pflicht, dass ich als Lebender jener gedenke, die nicht mehr leben, der toten Menschen und der toten Tiere, die in diesen grässlichen Jahren dahingegangen sind.
Mitleid, das die Tiere nicht berücksichtigt, ist kein Mitleid. Mitleid aber ist es, dass diese irdische Welt mit Musik ausgewölbt wurde. Der Kuhhüter ruft die Rinder durch seinen Gesang in den Stall, fährt Jahnn fort.
Nun meine Bitte: Lesen Sie Am laufenden Band, die Aufzeichnungen aus der Fleischfabrik von Joseph Ponthus. Es gibt Menschen auf dieser Welt die noch nie in der Fabrik und im Krieg waren, schreibt der Autor eindringlich, denn er beneidet sie.
Doch wo kann der Mensch seinen Trost finden, wenn nicht in der Musik: Es gibt den Schlusschor in Bachs Matthäuspassion …