Rund um den 8. Mai

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Im Mai 2025 stehen wir im Banne der 80sten Wiederkehr des Kriegsendes 1945, das uns Deutschen die Chance zum Neuanfang in Freiheit eröffnet hat. Die beiden Veranstaltungen dieses Monats stehen in Korrespondenz und Kontrast dazu.

Aus Lettland bringt am 2. Mai der Übersetzer Berthold Forssman ein „Schwäbisches Capriccio“. Der Autor Anšlavs Eglītis (1906-1993) zeigt die verwirrende Vielfalt menschlicher Überlebenstaktiken gegen Ende des Krieges; der aus dem Baltischen Geflüchtete erweist sich als ein Mann von Welt inmitten der schwäbischen Provinz.

Franz Fühmann (1922-1984) war wohl der einzige bedeutende Schriftsteller in der DDR, der (das herrschende antifaschistische Dogma unterlaufend) wahrhaftig seine Schuld als vom Nationalsozialismus Hingerissener herausgestellt hat. Am 9. Mai wollen wir Fühmann aber als Verwandlungskünstler kennenlernen, nämlich Poeten klassischer Märchenstoffe. Shakespeares „Sommernachtstraum“ wird dann von der Schauspielerin Elisabeth Richter-Kubbutat kongenial zur Aufführung gebracht: Verwirrt vom Zauber einer Mittsommernacht geraten drei Liebespaare in immer neue Verwechselungen, um am Ende – von Puck an der Nase herumgeführt – doch das Ziel ihrer Wünsche zu finden.

Die Liebe siegt über den Krieg.

Die Veranstaltungen finden freitags um 19 Uhr statt, der Eintrittspreis beträgt 9 Euro.

Ein Melodram mit Hintersinn

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In unserem Stadtbezirk leben viele Menschen, die den Kulturbetrieb am Laufen halten: Zu ihnen gehört der literarische Übersetzer Lutz-W. Wolff, der bedeutende Autoren wie George Orwell und Jack London aus dem Englischen ins Deutsche gebracht hat. Am Freitag, dem 25. April, um 19 Uhr präsentiert er die deutsche Erstausgabe eines Klassikers von Thomas Hardy.

Dieser Buchtitel „Die Liebe seines Lebens“, schrieb der Rezensent der Berliner Morgenpost, mute wohl kitschig an; wenn der Roman auch ein Melodram sei, so doch eines mit Hintersinn – „Form und Inhalt erweisen sich als subtiles Spiel“. Seine Meisterschaft beweist der Autor darin, wie er die Ironie des Schicksals vorführt, dem Begehren nicht einfach Folge zu leisten; die Kluft zwischen Ideal und Realität eröffnet das Menschliche.

Peter Bichsel (1935-2025)

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Das in meiner Buchhandlung meistverkaufte Insel-Büchlein hieß Überraschung! (7 Euro), es brachte die besten Sekundenstorys der Welt und naturgemäß also die kleinen Meisterwerke von Peter Bichsel:

Der Lebenslängliche befragt, wie er das aushalte oder mache all diese Jahre im Gefängnis, antwortet: „Weißt du, ich sage mir immer, diese Zeit, die ich hier verbringe, müsste ich draußen auch verbringen.“

Das Leben will gelebt werden, und alle Zeitmaße, die wir ihm aufdrücken, halten die Zeit wohl gelegentlich an, aber zum Ende hin nicht auf.

Frühlingsgefühle

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Gerne erinnere mich an den letzten Herbst, als der Raum meiner Buchhandlung von den Stimmen der Klangfarben erfüllt wurde; das Konzert zum Zuhören und Mitsingen war ein schönes Erlebnis.

Und nun steht der Frühling vor der Tür und es beginnt etwas Neues: Ich freue mich also, dass Susanne Faatz und ihre Sängerinnen uns wieder beglücken wollen – am neuen Ort, dem KARO in der Bölschestraße 119, wird am Gründonnerstag, dem 17. April, um 17 Uhr die Gesangsdarbietung beginnen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen!

Ich packe meine Bibliothek aus

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Der heute wesenhafteste, der merkantilste Blick ins Herz der Dinge heißt Reklame. Ich zitiere Walter Benjamin (das Berliner Straßenschild an dem nach ihm benannten Platz weist ihn als Schriftsteller, Literatur- und Zeitkritiker aus), um seine Äußerung zu dementieren. Denn eigentlich ist das Schreiben und Verbreiten von Büchern kein merkantiler Akt. Indem ich die Bücherregale füllte, schuf ich mir meine Welt. Dass die Besucherinnen meiner Buchhandlung darin sich wiederfinden konnten: das war das Wesentliche, somit entstand für einen Moment eine schöpferische Gemeinschaft.

Der Limbus-Verlag hat Benjamins Betrachtungen über das Sammeln von Büchern neulich wieder herausgebracht. Am Samstag, dem 29. März 2025, wird der aus vielen Hörbuchproduktionen bekannte Schauspieler Oliver Dupont hier (im Hause Bölschestraße 119 um 16 Uhr) daraus lesen und jeder Zuhörerin wird dann hoffentlich das Bild ihrer eigenen Bibliothek vor Augen stehen. Jedes Buch tritt in eine Sammlung, als sei es das erste und einzige, bevor es sich mit den übrigen verbündet.

Und wenn Sie am Ende der Veranstaltung diesen Walter Benjamin, der von 1892 bis 1940 lebte, als Ihren Zeitgenossen erkennen und folglich das Buch von ihm erwerben wollen, um es Ihren Regalen einzuverleiben, dann freut sich doch der Kaufmann in mir!

Es gibt wieder Lesungen

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Nach längerer Zeit erlaube ich mir, Sie wieder zu Buchvorstellungen einzuladen. Ab diesem Frühjahr wird dazu das KARO Friedrichshagen in der Bölschestraße 119 (Nähe Marktplatz) zur Verfügung stehen.

Hier plakatiere ich das geplante Programm:

Sa, 29. März 2025, 16 Uhr    Oliver Dupont liest Walter Benjamin: Ich packe meine Bibliothek aus

Fr., 25. April 2025, 19 Uhr        Lutz W. Wolff präsentiert seine Übersetzung von Thomas Hardy: Die Liebe seines Lebens

Fr., 2. Mai 2025, 19 Uhr    Berthold Forssman präsentiert seine Übersetzung von Anšlavs Eglītis: Schwäbisches Capriccio    

Fr., 9. Mai 2025, 19 Uhr     Elisabeth Richter-Kubbutat spielt Franz Fühmanns Shakespearemärchen

Die Eintrittsgebühr soll jeweils 9 Euro betragen und kann ausschließlich in bar an der Abendkasse entrichtet werden.

Das Zerbrechen einer Puppe

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„Plötzlich sah ich Moritz. Moritz war etwa fünfundzwanzig Zentimenter hoch, rothaarig, mit grüner Jacke und grünen Hosen. Er saß auf Rädern, so daß er sich, wenn man ihn an der Schnur zog, abwechselnd vorbeugte und zurücklehnte. Dabei schlenkerte er auch mit Armen und Beinen. Ich zog nicht an der Schnur; ich war auch durch eine gläserne Sperre von ihm getrennt, aber ich wußte es genau. Es war ein Wiedersehen. Moritz war meine eigene Puppe gewesen, zerbrochen, als ich vier Jahre alt war, jetzt aber völlig unbeschädigt.“

Der Wiener Dichter Erich Fried, der 1938 nach England emigrieren konnte, berichtet von einem Besuch der Lager-Gedenkstätte Auschwitz, den er im Frühjahr 1967 widerwillig unternahm; das Schicksal der ermordeten Juden ging im zu nahe. „Erst in Auschwitz, mehr als vierzig Jahre nach dem Zerbrechen meiner Puppe, sah ich ihren Doppelgänger.“

Es ist unbegreiflich: Sechs Millionen jüdische Menschen hat die Vernichtungsindustrie des deutschen Staates zu Tode gebracht.

Anschaulich wird es, wenn ich mir vorstelle: Sechs Millionen mal wurde ein Mensch getötet, und so könnte es das Nachbarskind gewesen sein, das aus seiner Wohnung gezerrt wurde mit nichts als den Kleidern am Leib und seiner Puppe in der Hand. Und womöglich hätte ich es gesehen, doch nicht wirklich hingesehen und wäre zum Mittäter geworden, da ich dem Unrecht nichts erwidern konnte.

Es ist zwar notwendig, in Deutschland heute darüber zu diskutieren, welche Lasten die Migration einer Gesellschaft auferlegt, die in Frieden leben möchte. Nicht recht finde ich es aber zu vergessen, dass es dabei um einzelne Menschen geht. 

Fröhlich lesen und singen

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Mit zwei Veranstaltungen haben das Jahr 2024 und zugleich die Ära dieser Buchhandlung in der Bölschestraße 79 ihren Abschluss gefunden. Ein kleines Chorkonzert und eine Lesung erbaulicher Verse und Fabeln zur Weihnachtszeit stießen auf großen Zuspruch.

Was folgt?

Im Jahr 2025 soll es eine Lesereise geben. An anderem Ort in der Bölschestraße wird dann das leselieber-Publikum willkommen sein. Und diese Webseite wird Sie weiterhin auf dem Laufenden halten.

Am 5. November

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Der jüdische Österreicher Hermann Broch hielt sich 1945 notgedrungen in den USA auf. Aus Princeton schrieb er am 5. November jenes Jahres nach Europa:
„Ehe nicht der Mensch das Gefühl des Weltbürgertums bekommt, so daß der Jude nicht nur für den Juden, der Amerikaner nicht nur für den Amerikaner zu sorgen bereit ist (– dabei noch bestenfalls! –) wird es auf dem apokalyptischen Weg weitergehen.“ Brochs Überzeugung war: „jeder ist für jeden verantwortlich. Geschieht es nicht, so wird immer der Abschaum die Führung usurpieren können, allerdings nicht auf lange, denn das übrige wird von der atomic bomb besorgt werden.“

Der Mond als Schmutzfink

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Seit etlichen Jahren begleitet uns Der Kinder Kalender mit Gedichten und Bildern aus der ganzen Welt durch das Jahr. Jeden Montag eröffnet ein zweisprachiges Gedicht die Woche: Mal gereimt, mal nicht, manchmal heiter, manchmal nachdenklich, zum Auswendiglernen, zum Vor- und Selberlesen, mal übersetzt aus einer der Weltsprachen, mal aus einer kleinen, kaum gesprochenen Sprache. Originalillustrationen begleiten und rahmen die wöchentlichen Gedichte.

Viele der Blätter aus den vergangenen Editionen habe ich aufbewahrt, naturgemäß auch das (im Original französische) Mond-Gedicht:

Der Mond kehrt am Abend
als Schmutzfink zurück
Meine Großmutter schrubbt ihn
und hängt ihn am Fenster auf
Sie lässt das Wasser laufen
damit die Träume nur ja
sauber werden

Im Moritz Verlag ist die 2025er Edition soeben erschienen; gerne merke ich ein Exemplar um 25 Euro für Sie vor!